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N° 077 H53

StadtHalle 53 Winterthur

2019

Wettbewerb

Auftraggeber: Stadt Winterthur

Bischof Föhn Architekten

Trägerschafts- und Nutzungskonzeption


Die Einmaligkeit der Aufgabe, der Situation und vor allem des Gebäudes der Halle 53, sie wären ja schon Motivation genug. Die Möglichkeit, dieses einzigartige Denkmal der Bevölkerung permanent offen zu halten. Ein Erhalt der Industriehalle nicht nur als leere Hülle, sondern gefüllt mit Leben. Nicht bloss eine Fassade stehen zu lassen, sondern einen Zeitzeugen erlebbar zu machen, ihn ertasten, riechen und hören zu können, ihn für die nächste und übernächste Generation in seiner Gesamtheit vor den an dieser zentralen Lage manchmal zerstörerischen Kräften des Marktes zu retten. Und die Motivation der Trägerschaft, welche lokal verankert ist und Kontakte pflegt zur Kulturszene Winterthurs, diese einmalige Halle wieder zum Leuchten zu bringen. Dies kann allerdings nur gelingen, wenn die Halle nicht nur als sprichwörtlich leeres Versprechen oder als 'schönster Parkplatz der Schweiz' verschwendet wird und vor sich hindämmert, sondern wenn sie eine neue Funktion, ein neues Leben erhält, ohne dass sie dadurch ihren Charakter verliert. Die Halle ist ja vielleicht als Industriegebäude pensioniert worden. Das heisst aber nicht, dass sie dadurch ihren Lebenssinn verlieren muss, sie muss sich bloss neu orientieren – wie alle Menschen, die ins Rentenalter einsteigen. Möglichkeiten und Beschäftigungen gibt es ja genug, man muss bloss die richtigen finden. Es genügt nicht, etwas zu wollen, man muss auch etwas tun dafür. Es genügt nicht, einen schönen Industriebau bewundern zu können, er muss auch wieder einen ihm gebührenden Zweck erhalten. Es genügt nicht, dem Dornröschen beim Schlafen zuzuschauen, man muss es auch wach küssen. Und das ganz sicher nicht bloss mit einem dezenten Küsschen auf die Wange. Die Stadt Winterthur hat bisher keine eigentliche Stadthalle. Sie hat einige schöne grössere und kleiner Räumlichkeiten für Veranstaltungen und öffentliche Anlässe, aber keine eigentliche 'Town Hall'. Und es wäre wohl auch fehl am Platz, wenn sich Winterthur in einer dieser typischen, uninspirierten, mehr oder weniger als Mehrzweckhallen ausgebildeten Gebäude - wie die meisten 'Stadthallen' - treffen würde. Umso schöner, wenn sich hier mit der Halle 53 die Chance zu einer solchen Stadthalle - und so viel mehr - bieten würde. Einen offenen, durchlässigen Ort mit Ankermietern und überregionalen Anziehungspunkten. Und was für ein Gebäude wäre diesbezüglich passender für die Maschinenstadt Winterthur, als diese alte, ungeschliffene, rohe und wunderschöne Industriehalle? Hier am damals vielleicht heissesten Ort der Stadt, der Grossgiesserei. Hier, zwischen Bahnhof und einem völlig erneuerten Quartier, in der Mitte der Stadt. Hier im Herzen der Studentenstadt, hier wo Winterthur cool ist, auch wenn man es nicht gerne hört. Und hier, in unmittelbarer Nähe zur gezügelten Stadtverwaltung. Hier, wo sie hingehört: eine spezielle Stadthalle für eine spezielle Stadt. Wären wir etwa 1'000 Kilomeer weiter im Süden, wir bräuchten keine Stadthalle. Die vorgeschlagenen Ausstellungen, die Verpflegungsstände und Events, sie würden unter freiem Himmel stattfinden, mindestens in den neun Sommermonaten. Nun sind wir aber wohl oder übel in Winterthur, wo - der Name sagt es schon - der Winter seine Macht ausübt. Deshalb brauchen wir für die genannten Schwerpunkte einen geschützen Raum, einen künstlichen, freundlichen Himmel, einen gedeckten Stadtplatz. Die Halle soll dabei in ihrer Erscheinung integral erhalten bleiben, ohne dass ihr ein Haar oder eine Stütze oder ein Backstein gekrümmt wird. Das Konzept der 'Stadthalle 53' setzt auf eine rücksichtsvolle, sanfte, kontinuierliche Aneignung mittels mobiler Elemente. Durch eine kontinuierliche Entwicklung kann auf die sich ändernden Umstände und Rahmenbedingungen eingegangen werden und der Ausbau und die Nutzung entsprechend ohne Umbaumassnahmen am Gebäude angepasst werden. Mit den geplanten Nutzungen - Kunsträume, Streetfood Market, Eventhalle - wird ein weit gefächertes, für eine breite Öffentlichkeit interessantes Angebot vorgeschlagen, welches grosse Spielräume lässt für zukünftige Entwicklungen und zahlreiche Synergien ermöglicht. Ein Angebot, welches zugleich lokal verankert ist, aber auch eine überregionale Ausstrahlung mit sich bringt. Zusammen also ein sich gegenseitig befruchtendes Buffet an Ideen und Atmosphären, ein Fest der Sinne, das wir auf den folgenden Seiten zu beschreiben versuchen. STADTHALLE53, eine urbane Oase - im wörtlichen wie im übertragenen Sinne - mitten im Herzen der grossen Industrie. Das alte Herz der Maschinenproduktion soll uns in unserem post-industriellen Zeitalter ein neues, reines Herz schenken. Während das Feuer der Schmelzöfen hier einst die Industrie am Leben gehalten hat, soll es nun ein stilles Feuer sein, eines das die Zivilgesellschaft, die Stadtgemeinschaft am Leben erhält. Mit weniger Energie, aber nicht minder spektakulär. Ein neuer Treffpunkt für unverkrampftes, fröhliches, informiertes Einkaufen, Essen, Feiern und Arbeiten ohne schlechtes Gewissen. Für zahlreiche Events, welche in diesem undogmatischen, aufgeweckten Klima ihre neue Heimat gefunden haben. In einem alle Sinne ansprechenden Raum: für Licht, Gerüche, Farben, Stimmen und Geräusche. Einem Forum zum Schwatzen, Plaudern, Musikhören, für Kunst und Kultur. Einem Ort, wo sich altes Eisen und junge Früchtchen die Pfoten schütteln. Wo sich ein Lebensgefühl ein neues Nest bauen kann. Vertraut, aber einzigartig. Unbeheizt, aber gedeckt. Unbeschränkt, aber bewusst. Es ist Zeit.